Schauspielerin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin
Interview / Werbung durch Verlinkung – Liebe immerschöne, heute möchte ich Ihnen Maria Bachmann vorstellen. Sie kennen Maria Bachmann sicherlich bereits als Schauspielerin und haben zudem ihren sensationellen Werbeauftritt – dann klappt es auch mit dem Nachbarn – in humoriger Erinnerung. Ihr großes schriftstellerisches Talent bahnte sich zuerst seinen Weg in erfolgreich verfilmten Drehbüchern und zeigt sich heute als Buchautorin. Nun ist ihr drittes Buch “Du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast – von einer, die ausbrach, das Leben zu lieben” erschienen. Ein Buch, das die Empfindsamkeit einer ganzen Generation, leise und daher umso eindringlicher, auf unerhört subtil, reduzierte Weise veranschaulicht und vor allem fühlbar macht. Für mich ist es ein ungemein ehrliches Buch über das Werden, das Begreifen und das Loslassen und ist mir sehr unter die Haut gegangen. Aber ich möchte nicht schon zu viel vorwegnehmen und freue mich jetzt auf mein Gespräch mit Maria Bachmann.
Gabriele immerschön. im Gespräch mit Maria Bachmann.
Liebe Maria, Sie sind 1964 geboren und gemeinsam mit einem älteren Bruder in einem kleinen Dorf in Unterfranken aufgewachsen. Ihr Buch “Du weißt ja gar nicht, wie gut Du es hast – von einer, die ausbrach, dass Leben zu lieben” beginnt im Kleinkindalter. Verwirrend grau und trist erscheint mir als Leserin diese Zeit, die doch eigentlich bunt und voller Lebensfreude in Erinnerung bleiben sollte. Neugierde, Entdeckerdrang und Ungestüm fehlen völlig. Warum haben Sie es so empfunden und was waren die entscheidenden Verhaltensweisen der Erwachsenen, die Ihr Kindsein so geprägt haben?
Ich habe in meinem Buch die vorherrschende Stimmung beschrieben, an die ich mich heute noch erinnern kann. Es gab auch schöne Zeiten, aber anhaltend und bis ins Erwachsenenalter geprägt und beeinflusst haben mich die Schwere, das Schweigen und die Enge. Meine Eltern haben noch den Krieg erlebt, Armut, auch Hunger. Mein Vater kam mit 17 zur Wehrmacht nach Frankreich, im letzten Kriegsjahr, wurde verwundet und war dann 4 Jahre in Gefangenschaft in Afrika. Als er zurückkam, war er ein anderer Mann. Keiner redete damals von Traumatisierung. Das Leben ging einfach weiter. Gefühle wurden nicht gezeigt. Es ging um den Aufbau einer Familie, Sicherheit. Wir können uns heute nicht vorstellen, was unsere Eltern und deren Eltern nicht verarbeiten konnten, an Schmerz oder Leid. Sie waren gewohnt zu schweigen und zu arbeiten. Aber alles was sie an Erlebnissen nicht verdaut haben, wurde an die Kinder weiter gereicht: entweder durch die Gene und/oder durch die Erziehung beziehungsweise durch die gedämpfte Energie, die in den Familien lag. Das war bei mir auch so. Irgendwie verschaffen sich seelische Belastungen immer einen Weg heraus. Was die Verhaltensweisen betrifft: Meine Eltern haben sich wenig mit mir abgegeben, ich war einfach nur „da“. Es gab wenig Kuscheln, keine Gespräche, ich wurde als Kind nicht um meine Meinung gefragt, nicht ernst genommen. Ich hatte oft Angst vor Bestrafung, ja, Angst vor den Eltern selbst, wenn sie schlecht gelaunt waren. Sie waren unberechenbar, man musste immer in vorauseilendem Gehorsam handeln und ihre Erwartungen erfüllen. Brav sein für Liebe. Ein Kind tut alles für Liebe. Das erzählen heute auch viele Menschen bei meinen Buchlesungen.
Wie Sie schon beschreiben, waren Ihre Eltern gefangen in ihrer grausamen Erlebniswelt. Als Kinder von Kriegskindern, doppelt geprägt und herangewachsen in der ständigen Angst gesehen zu werden. Der Ausdruck – standrechtlich erschossen werden – war für Ihre Eltern keine hohle Phrase und sich durch Unsichtbarkeit aus jedweder Schusslinie zu nehmen, ein nachvollziehbares Bedürfnis. Was hat diese Unsichtbarkeit aber mit Ihnen gemacht, was ausgelöst?
Ich selbst wollte ja unbedingt gesehen werden. Ich wollte hinaus in die Welt, wo es leicht und fröhlich war, wo ich auch meinen Horizont erweitern konnte und das aufregende Leben spüren konnte. Diesen Wunsch konnten meine Eltern nicht nachvollziehen. Denn für sie war – heute nachvollziehbar – Sicherheit immer das allerwichtigste. Ich hatte aber immer den Eindruck, ich sollte sein wie sie. Dadurch habe ich mich selbst und meine eigenen Wünsche verlassen, zugunsten der limitierten Lebenshaltung meiner Eltern. Dadurch passt man sich an, verliert seine innere Kraft. Als Jugendliche habe ich gemerkt: ich muss hier weg, sonst gehe ich ein wie eine Primel. Ich muss andere Menschen kennenlernen, die meine Seele stärken und die keine Angst vor dem Leben haben. Ich wollte Schauspielerin werden. Dieser Beruf war gleichgesetzt mit Freiheit und Verwandlung.
Das sich ständig Zurücknehmen, nicht zu viel vom Leben zu erwarten, zufrieden sein mit dem was man hat und sich zurückhalten, wird an einer Stelle so überdeutlich: Ihr Vater möchte sich nach dem Hasenfüttern die Hände waschen, dreht den Wasserhahn so auf, dass ein Rinnsal herauströpfelt und wäscht sich darunter die Hände. Was hat Sie dazu bewogen, dieser Eigenbeschränkung entkommen zu wollen? Welcher innere Motor hat Sie angetrieben und vor allem, woher nahmen Sie den unglaublichen Mut? Aus den eigenen Reihen auszuscheren, hin zu einer Lebensweise, die so anders als Ihre Lebensrealität war, ist ja nun wirklich kein Pappenstiel.
Wenn der Leidensdruck groß genug ist, schafft man das! Ich habe tief in mir geahnt, dass ihre Lebensweise nicht alles sein kann. Das ist übrigens auch etwas, was ich ja irgendwie von meinen Eltern mitbekommen haben muss! Ich fühlte, dass da „draußen“ eine andere Art zu leben auf mich wartet. Es war schwer mich von meinen Eltern abzunabeln und weg zu gehen. Denn einerseits fühlte ich mich für ihr Lebensglück verantwortlich und hatte ständig Schuldgefühle, wenn es mal richtig gut ging. Und andererseits musste ich gehen, um zu überleben. Ich suchte mir Idole, Verbündete, wie den damals aufstrebenden Moderator Thomas Gottschalk oder meinen Klassenlehrer. Später war es tatsächlich Udo Lindenberg, dem ich in die Arme lief. Rebellischer geht es ja gar nicht! Letztlich war ich lange sehr alleine mit meiner Sehnsucht nach Selbstbestimmung. Deshalb ist es so wichtig wirklich gute Freunde um sich herum zu haben, in jedem Alter. Menschen, denen man sich zeigen kann, wie man ist, die einen ernst nehmen. Freunde, bei denen ich nicht sagen kann, was ich wirklich denke, habe ich nicht mehr.
Hatten Sie Schuldgefühle oder haben sich selbst als undankbar empfunden, dass Sie mehr vom Leben wollten?
Schuldgefühl war mein zweiter Vorname. Ich hatte sogar den Eindruck, es galt als angemessen und besser, wenn es einem schlecht ging. Dann konnten einem andere wenigstens nichts neiden. Das sind unfassbare Zustände, die einen von innen heraus zerstören. Ich fühlte mich undankbar und so, als sei mein Zuhause nicht „gut genug.“ Das wurde mir dann auch vorgehalten. Es ist ein Zwiespalt aus dem man nicht raus kommt, wenn man es allen Recht machen will. Zum Glück habe ich mich für mich selbst entschieden. Es war schmerzhaft, weil zwischen meinen Eltern und mir extrem andere Lebenswerte und Denkweisen standen, ja, andere Erfahrungen und Wünsche.
Nach Ihrer Ausbildung zur Krankenschwester haben Sie tatsächlich den Sprung ins kalte Wasser gewagt und Schauspielunterricht genommen. Beruflich ging es anschließend nur noch in eine Richtung, nämlich nach oben. Trotz des beruflichen Erfolges beschreiben Sie diesen Lebensabschnitt als emotional heftigste Zeit in Ihrem Leben. Sie brechen regelrecht auf, unsortierte Gefühle kommen zutage und zwingen Sie dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ich habe trotzdem den Eindruck, dass gerade diese schwierige Phase eine positive Zeit für Sie war.
Ja, diese Zeit war notwendig, um überhaupt zu mir selbst vorzudringen. Ich war lange sehr „gepanzert“, vor lauter Schutzmechanismen, vor lauter Fremdbestimmung. Das merkte ich aber zuerst nicht. Erst als ich durch die Schauspielerei und auch im Privatleben an die Grenzen stieß, mein Körper und meine Seele gestreikt haben, wurde ich aufmerksam. Deshalb sind Stolpersteine im Leben für mich ein absolutes Geschenk. Es sind die Gelegenheiten sich ins Lot zu bringen, sich anzusehen und sich zu fragen: was ist los? Was will ich eigentlich? Spüre ich mich selbst überhaupt? Oder laufe ich nur in einer eingespurten Rinne, wie früher. Lebe ich noch immer nach den Leitsätzen und Maßstäben meiner Eltern? Ich habe allmählich nicht nur intellektuell, sondern auch emotional und körperlich vieles verstanden und sortieren können. Sodass heute großes Verständnis für mich UND meine Eltern da ist. Und ich mich neu kennen gelernt und mich mit mir angefreundet habe.
Wenn ich Sie richtig verstehe, empfinden Sie heute eine große Freiheit. Diese Freiheit hat selbstverständlich ihren Preis, den Sie allerdings ausgesprochen gerne bezahlen – es ist die Verantwortung! Können Sie uns dies näher erklären?
Viele unserer Eltern waren damals Opfer ihrer Zeit. Sie mussten Dienst nach Vorschrift machen, es hätte sie sonst ihr Leben kosten können. Sie haben nicht gelernt zu reflektieren oder ihr Innenleben wichtig zu nehmen. Sie wären nie auf die Idee gekommen sich zu fragen, welchen Traum sie sich erfüllen möchten. Wir aber sind heute keine Opfer mehr. Wir sind an einem sehr privilegierten Punkt angekommen: wir haben den Luxus, unser Leben selbst zu gestalten, unsere Meinung zu vertreten und auf unsere innere Stimme hören zu lernen. Das ist die Freiheit, die uns förmlich auf dem Serviertablett gereicht wird. Wir müssen sie nur ergreifen. Dazu gehört, dass wir heute Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen. Als Kinder waren auch wir ausgeliefert. Heute nicht mehr. Deshalb steht uns in jedem Alter die Welt offen, in den kleinen, wie in den großen Dingen. Wir dürfen unsere Wünsche erfüllen, wir dürfen reden und nach unseren Werten und Ansichten handeln. So werden wir in der Welt sichtbar. Es kann nicht sein, dass wir unser Potenzial als individuelle, einzigartige Menschen weiterhin versteckt halten. Statt in der alten Spur unserer anerzogenen Verhaltensweisen zu bleiben, können wir sie ändern.
Maria, Ihnen war es nach all Ihren persönlichen Erfahrungen ein großes Bedürfnis das Thema Kriegstraumatisierung und seine Folgen, auch für spätere Generationen, aus der Schweigeecke zu holen. Welche Resonanz erhalten Sie auf Ihr Buch?
Die Resonanz ist für mich überwältigend. Ich saß schon manches Mal da und musste weinen, weil ich so berührt war von den Rückmeldungen. Die Zuhörer in den Lesungen und die Leser/innen fühlen sich gesehen und erkannt, sie sagen, sie sind nicht mehr allein mit ihrer Erfahrung als Kinder und Jugendliche von Kriegseltern. Sie verstehen nun manches anders und fassen Mut. Das ist das schönste, was man mit einem Buch bewirken kann: Menschen berühren. Zudem hab ich neulich die Spiegel Bestsellerliste erreicht. Das zeigt mir, dass die Prägungen aus der späten Nachkriegszeit und generell des damaligen Umfelds ein heute sehr aktuelles Thema ist. Wir fangen eigentlich erst damit an.
Haben Sie weitere Pläne zu diesem Thema?
Ich reise mit meinem Buch weiter durch Deutschland. Es folgen noch einige TV-Auftritte, über die ich mich sehr freue, denn das Thema geht viele von uns an. Und ich lerne vieles aus den Begegnungen mit den Menschen. Für nächstes Jahr ist noch ein großes Event geplant.
Das Ende Ihres Buches, das Verständnis für Ihre Eltern und die tiefe Zuneigung, trotz aller Hürden, haben mich sehr berührt. Für mich wird hier der eigentliche Heilungsprozess und das Werden regelrecht greifbar. Daher liegt mir eine letzte Frage sehr am Herzen: Hatten Sie die Gelegenheit dieses sensible Thema auch mit Ihren Eltern zu besprechen?
Mit meiner Mutter konnte ich darüber sprechen. Sie meinte, sie hätte bei mir etwas falsch gemacht. Ich sagte, nein, du konntest nicht anders. Du hast ja selbst nichts bekommen. Das konnte sie dann auch sehen. Dieses Gespräch fand zu einer Zeit statt, als ich nichts mehr von meinen Eltern erwartet habe, auch nicht, dass sie mich doch verstehen müssten. Das ist eine Befreiung und dann ist wirklich Nähe da. Eine Nähe, die nichts will, die den anderen so lassen kann mit seinen Erfahrungen und seinem Leben. Für mich ist das Liebe. – Aber selbst wenn die Eltern schon gestorben sind, kann man vieles für sich selbst klären. Die Aufarbeitung findet ohnehin nur in einem selbst statt.
Liebe Maria Bachmann, meinen herzlichsten Dank für dieses interessante und offene Gespräch.
Ihre
Gabriele
Das ist ja eine schöne Rückmeldung liebe Britta und ich bin gespannt, was Du anschließend sagst.
Liebe Grüße
Deine Gabriele
Ein sehr berührendes, offenes Gespräch. Und es hat einige Aha- Momente hervorgerufen. Das Buch werde ich mit Sicherheit lesen!
Hallo liebe Britt, das ist ja toll und ganz lieben Dank. Bin auf Deine Rückmeldung gespannt.
Liebe Grüße und einen guten Wochenstart
Deine Gabriele
Liebe Gabriele,
Das ist ein sehr interessantes Interview mit einer interessanten Frau. Das Buch werde ich lesen.
Nein liebe Susanne, bisher noch nicht. Hört sich aber sehr interessant an.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
Gabriele
Das hört sich sehr gut an! Kennst du das Buch Kriegsenkel? Liebe Grüße und einen schönen Sonntag. @maridabeauty